http://www.nzz.ch/2007/04/08/zh/newzzF098W45F-12.html
8.
April 2007, NZZ – NEUE ZÜRCHER ZEITUNG am Sonntag
Regierung
und Flughafen Zürich erzürnen bürgerliche Politiker und Hauseigentümer
Die
Zürcher Regierung und der Flughafen bekämpfen ein neues Gesetz, das fluglärmgeplagten
Hauseigentümern einfacher zu Entschädigungen verhelfen soll. Damit verärgern
sie auch bürgerliche Parlamentarier.
Pascal
Hollenstein
Der Zürcher
FDP-Nationalrat Rolf Hegetschweiler gilt in Bundesbern als verlässlicher
Vertreter der Interessen der Wirtschaft. Wie sich der Zürcher Regierungsrat
derzeit aber hinter den Flughafen Zürich stellt, das geht selbst Hegetschweiler
zu weit: «Der Regierungsrat hat die Interessen der Bevölkerung im Auge zu
behalten. Es kann deshalb nicht die Rolle der Regierung sein, einseitig die
Anliegen des Flughafens zu unterstützen», sagt er. Man habe es hier mit einem
Grundsatzproblem zu tun. Da der Kanton Hauptaktionär des Flughafens sei,
befinde sich der Regierungsrat in einem ständigen Interessenkonflikt. «Rita
Fuhrer ist in Personalunion Verwaltungsrätin des Flughafens und für das
Dossier zuständige Regierungsrätin. Diese beiden Interessen sind schwer unter
einen Hut zu bringen», sagt Hegetschweiler.
Den
Zorn Hegetschweilers hat die Zürcher Regierung auf sich gezogen, weil sie sich
in einer Stellungnahme gegen einen Gesetzesentwurf wehrt, der die rechtliche
Position von fluglärmgeplagten Hauseigentümern verbessern will. Die Vorlage,
die Hegetschweiler im Jahr 2002 initiiert hatte, ist im letzten Herbst den
Kantonen, Gemeinden und interessierten Organisationen zur Stellungnahme
zugestellt worden. Das Echo darauf war durchzogen, wie ein Blick in die
Vernehmlassungsunterlagen zeigt, die jetzt durchgesickert sind. Die vom Fluglärm
betroffenen Gemeinden und insbesondere der Hauseigentümerverband begrüssen die
Vorlage ganz oder in wesentlichen Teilen, auch Kantone wie Bern signalisieren
Zustimmung. Richtiggehend abgeschmettert wurde das Projekt aber von der Zürcher
Regierung und dem Flughafen Zürich - mit bemerkenswert übereinstimmenden
Argumenten.
Laut
dem Gesetzesentwurf sollen die Flughäfen künftig bei einer Änderung des
Betriebsreglements die übermässig belärmten Gebiete parzellengenau ausweisen
und die betroffenen Eigentümer anschreiben. Daraufhin können diese Entschädigungsansprüche
geltend machen. Das bisherige Vorgehen wird damit umgedreht: Nicht mehr die
Hauseigentümer müssen sich Gedanken machen, ob ihre Liegenschaften übermässig
belärmt werden, sondern der Flughafen muss ihnen das mitteilen. Das Problem
vieler Hauseigentümer, dass ihre Ansprüche bereits verjährt sind, wenn sie
die Entschädigung einklagen, soll damit eliminiert werden. Gleichzeitig will
das Gesetz auch die Position der Mieter stärken: Erhält der Eigentümer eine
Entschädigung, so soll er verpflichtet werden, diese an seine Mieter
weiterzureichen.
Flughafen
und Kanton Zürich lassen an diesem neuen Vorgehen allerdings kein gutes Haar.
Das Verfahren sei zu kompliziert, zu teuer, administrativ zu belastend. Es
verunmögliche zudem jede kurzfristige Umstellung des Betriebsreglements, wie
sie etwa nach der einseitigen deutschen Verordnung nötig geworden sei. Der
Flughafen befürchtet zudem zusätzliche Kosten von 200 bis 400 Millionen
Franken für Forderungen, die nach altem Recht verjährt sind, nach dem
vorgeschlagenen neuen aber wieder aufleben könnten.
In der
Vernehmlassung war dieses Urteil nicht unbestritten. Die SVP, der auch
Regierungsrätin Fuhrer angehört, begrüsst die Vorlage uneingeschränkt als «Massnahme
zum Abbau der Regulationsdichte und zur Vereinfachung von Verfahrenswegen». «Vernünftig»
sei die Vorlage, findet auch der Präsident der zuständigen parlamentarischen
Subkommission, der Zürcher SVP-Nationalrat Robert Keller. Dass sich die Zürcher
Regierung dagegen wehre, könne er sich nur damit erklären, dass man sich «mit
dem Flughafen kurzgeschlossen» habe: «Die Regierung hat wenig Verständnis für
eine Minderheit, die vom Flughafen stark tangiert wird», beklagt Keller.
Auch
SP-Nationalrätin Barbara Marty Kälin, die ebenfalls in der Kommission sitzt,
sieht das so: «Frau Fuhrer hat sich bisher nicht dadurch hervorgetan, dass sie
sich um die Anliegen der Bevölkerung kümmert. Ihre Sympathien liegen eindeutig
beim Flughafen», sagt Marty. Hegetschweiler ist auch politisch irritiert. Die Zürcher
Regierung sei doch bürgerlich, sagt er. Er verstehe es deshalb überhaupt
nicht, dass man sich im Zweifel für den Schutz des Staatseigentums - also des
Flughafens - und nicht für jenen des Privateigentums - also der lärmgeplagten
Hausbesitzer - ausspreche, sagt er. SVP-Regierungsrätin Rita Fuhrer, die im
Regierungsrat das Flughafendossier betreut, lässt zu den Vorwürfen auf Anfrage
lediglich ausrichten, die Vernehmlassungsantwort sei vom Gesamtregierungsrat
beschlossen und von ihr zusammen mit der Baudirektion ausgearbeitet worden. Den
Vorwurf, die Zürcher Regierung vertrete lediglich die Interessen des
Flughafens, weist Fuhrer zurück. Die Frage allerdings, ob sich die Regierung
bei ihrer Argumentation mit dem Flughafen abgesprochen habe, lässt Fuhrer
unbeantwortet.
Laut
SVP-Nationalrat Keller ist die Subkommission von der Zürcher Stellungnahme
ohnehin «unbeeindruckt». Bereits im Mai werde man das Projekt der nationalrätlichen
Verkehrskommission vorlegen, die im Grundsatz schon einmal einstimmig ihren
Segen zum Projekt gegeben hat. Keller geht davon aus, dass das Geschäft im
Herbst in den Nationalrat kommt. Dann erwartet er Widerstand: «Der Flughafen
wird seine Beziehungen ins Parlament dann schon spielen lassen», sagt er.
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