Die „Bürgerinitiativen gegen den Bau der dritten Piste“ am Flughafen Schwechat wollen die Republik und das Land Niederösterreich klagen.
Mehr als 200 Fluglärmopfer haben bereits Interesse bekundet, berichtet Anwalt Wolfram Proksch, der die betroffenen Anrainer vertritt. Weitere Betroffene können sich noch melden.
Gründe für die Klage sind Gesundheitsrisiken sowie die Entwertung von Liegenschaften durch permanente Überflüge.Basis der Sammelklage ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom März, das Flugrouten-Anrainern wegen der
Wertminderung ihrer Immobilien die Chance auf Schadensersatz eröffnet hat – der KURIER berichtete.
Allerdings müssen sie dafür nachweisen, dass der Umstand, dass für den sukzessiven Ausbau des Flughafens
keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt wurde, Ursache für die Wertminderung ihres Eigentums ist.
Umweltmedizinerin Jutta Leth aus Zwölfaxing hatte die Musterklage bestritten.„In den vom Fluglärm nicht belasteten Gebieten sind die Preise für Eigentumswohnungen um 9,2 Prozent höher als in Fluglärm-belasteten Zonen“,
sagt Immobilienmakler Eduard Issel. Er beruft sich dabei auf eine TU-Studie von 2005. „In Zwölfaxing oder Margareten am Moos
wurde eine Wertminderung von durchschnittlich 30 Prozent dargestellt.“
Ein Kritikpunkt der Bürgerinitiativen ist die Gesundheitsgefährdung durch Fluglärm und Schadstoffemissionen.
Durch den geplanten Bau der dritten Piste seien statt der derzeit rund 240.000 Flugbewegungen pro Jahr bis 2030 etwa 460.000 über Wien
und dem Umland zu erwarten, rechnet Leth vor. „Dabei würden 330.000 Tonnen Kerosin verbrannt, wovon rund 500.000 Menschen in Wien und NÖ betroffen wären.“
„Lärmbelastung infolge des fehlenden Nachtflugverbots bergen zahlreiche Gesundheitsrisiken – wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen oder Depressionen“,
sagt die Umweltmedizinerin.
Martin Tögel von der Bürgerinitiative Liesing stört vor allem, dass in der Fluglärm-Debatte mit dem Dauerschallpegel argumentiert wird.
„44 Dezibel Dauerschallpegel (am Maurer Berg) entspricht einem harmlosen Summen. Störend sind aber die Einzelereignisse – die zwölf dröhnenden Überflüge innerhalb einer Stunde.“
Fluglärm-Opfer bereiten Klagen vor
Bürgerinitiativen reichen Sammelklage gegen Republik und das Land NÖ ein.Flughafen
Der sogenannte Speckgürtel rund um Wien wächst. Flughafen-Anrainergemeinden wie Schwechat erwartet ein Bevölkerungszuwachs, berichtet das Wirtschaftsmagazin Gewinn.
Für Flughafen-Wien-Sprecher Peter Kleemann ist das ein klarer Widerspruch zur Argumentation der Bürgerinitiativen. „Wir können die Entwertung von Immobilien nicht nachvollziehen. Die Grundstückspreise im Wiener Umland gehen nach oben. In Schwechat kostet der Quadratmeter 290 bis 340 Euro – Tendenz steigend. In Zwölfaxing (wo Musterklägerin Jutta Leth wohnt, Anm.) sind die Grundstückspreise in den letzten Jahren um mehr als 35 Prozent gestiegen.“Der angekündigten Sammelklage blickt man seitens der Flughafen Wien AG einigermaßen gelassen entgegen. „Der EuGH hat ja festgestellt, dass durch das Fehlen einer UVP alleine kein Schadensersatzanspruch entsteht. Das lassen die Bürgerinitiativen gern unerwähnt. Ein Schadensersatz wäre nur dann möglich, wenn die Unterlassung einer UVP dazu geführt hätte, dass die Anrainer über die Ausbaumaßnahmen am Flughafen nicht informiert gewesen wären. Aber jeder wusste, dass wir ausbauen. Schon allein deshalb, weil wir als börsenotiertes Unternehmen zu regelmäßiger Information verpflichtet sind.“
Kleemann findet daher die Interpretation „absurd, dass es einer UVP bedurft hätte, damit jemand der in Zwölfaxing lebt, erfährt, dass es hier Flugverkehr gibt“.
Die Forderung, die Entwicklung des Airports nach seiner Umweltverträglichkeit zu bewerten, werde zurzeit erfüllt, meint Kleemann. „Diese UVP wird gerade durchgeführt. Und zwar für die dritte Piste. Im Zuge dieses Verfahrens wird ja das Gesamtsystem Flughafen mit all seinen Auswirkungen geprüft.“
Auch die Kritik an der Nachtflugregelung weist Kleemann zurück. „Dieser Kompromiss wurde im Dialogforum mit Anrainer-Vertretern vereinbart. Was haben die Bürgerinitiativen, die sich jetzt aufregen, bisher konkret erreicht?“